Jim Doss

* 18.5.1958, Lynchburg in Virginia/USA.

 

To Georg Trakl

 

I am a shadow distant from somber villages.

I drank God's silence

From a fountain in the grove.

-- Georg Trakl


Never mind the deserters hanged

like purple fruit outside the barn

where you medicate dying soldiers.

 

Never mind the gun ticking

in your pocket like a clock.

 

I come to offer you peace

as the howitzers' rumble

like heat lightning on the horizon

 

and mustard gas liquefies the lungs

of tomorrow's ambulance patients.

 

Already, you hear their screams

ring out like gunshots in your temples

saying you can't save them all.

 

You can't save them all.

 

Hell, you can't even save yourself

with this exorcism of poems

you labor over each night.

 

Understand, I don't care what you did

with your sister in the curtained

rooms and walled gardens of Salzburg.

 

I don't care what drugs

you take to fight the shame.

 

I just want a drink of Mosel wine

to wash the road-dust from my mouth.

 

I touch your drunken face

one last time as we stand

under the black oak

that becomes your coffin.

 

Wittgenstein is only three days away

to buy you out of this god awful army

and still you can't hold yourself together.

 

You can't keep your hands

from bursting into flame.

 

Never mind that gun in your pocket.

 

Never mind the hanged soldiers

creaking like bells in the wind.

 

Take the dark spider of my heart,

its white sack of poison.

 

Inhale this cocaine of sleep

 

so I can taste your blood forever

in the bitter pieces of apple

sliced by my knife.

 

[From "Learning to talk again".
Wiedergabe mit Erlaubnis des Autors;
published with the permission of the author
]

 

 

Übersetzung:
An Georg Trakl

 

Ein Schatten bin ich ferne finsteren Dörfern.

Gottes Schweigen

Trank ich aus dem Brunnen des Hains.

(Georg Trakl, aus „De profundis“)

 

Achte nicht auf die Deserteure, hängend

wie purpurne Früchte neben der Scheune,

in der du sterbende Soldaten versorgst.

 

Achte nicht auf das Gewehr, tickend

wie eine Uhr in deiner Tasche.

 

Ich komme dir Frieden zu bringen,

während die Haubitzen grollen

wie Wetterleuchten am Horizont

 

und das Senfgas den künftigen Patienten

des Lazaretts die Lungen verflüssigt.

 

Du hörst schon ihre Schreie,

die wie Gewehrschüsse in deine Schläfen schmettern

und sagen: du kannst sie nicht alle retten.

 

Du kannst sie nicht alle retten.

 

Zur Hölle, du kannst nichtmal dich selber retten

mit jenen exorzistischen Gedichten,

an denen du dich jede Nacht abquälst.

 

Verstehe: Es kümmert mich nicht, was du

mit deiner Schwester getan hast in den verhangenen

Zimmern und ummauerten Gärten Salzburgs.

 

Es kümmert mich nicht, welche Drogen

du nahmst, um die Scham zu bekämpfen.

 

Ich möchte nichts als ein Glas Moselwein,

um den Straßenstaub aus meinem Mund zu waschen.

 

Ein letztes Mal berühre ich

dein trunkenes Gesicht, da wir

unter der schwarzen Eiche stehen,

die dein Sarg sein wird.

 

Wittgenstein ist nur drei Tage entfernt,

könnte dich aus der verdammten Armee freikaufen;

aber du magst dich nicht zusammennehmen.

 

Du kannst nicht verhindern, dass deine Hände

in der Flamme zerplatzen.

 

Achte nicht auf das Gewehr in deiner Tasche.

 

Achte nicht auf die gehängten Soldaten,

die wie Glocken im Wind knarren.

 

Nimm die dunkle Spinne meines Herzens,

ihren weißen Sack mit Gift.

 

Sauge dies Kokain des Schlafes ein,

auf dass ich dein Blut für immer

in den bitteren Apfelstücken schmecken kann,

die mein Messer zerschneidet.

 

(aus dem Englischen von Wersch)

 

To Werner in Trier

 

As if in a dream
You turn to the calm lamp within.

-- Georg Trakl

 

Trakl's autumn is upon us and like righteous pilgrims
we struggle to translate his poems.

Nouns blow in from the woods to nestle
against our doors, collect in porch corners.
Adjectives rattle inside of dried seed pods.
Crystalline verbs cling to brown blades of grass
and like ghosts live longest in the shadows.

My footsteps sing out crossing fields of stubble corn
as the wind carries the air
I breathed yesterday across the ocean
to become the oxygen that reddens
the blood of the words that pass between us today.

Each syllable is a feather
I use to reconstruct the hawk's body
missing from the wings
I discovered outspread at the edge of the field.

I raise the bloody stumps like a lyre
to hear the voice of the wind. I fix the sockets
into my shoulder blades, ride the air currents back
to the old country where I see you
standing in the shadows of Porta Nigra holding a black cat.

I soar over the three ponds of Hellbrunn
to the baroque splendor of the beautiful city,
climb the slopes of the Mönchsberg,
storm the turrets of fortress Hohensalzburg.

On either side of the Atlantic
we turn his words into purple candle flames
that light darkened rooms
as our heads slowly silver
with the winter wisdom of the lonely one

[Wiedergabe mit Erlaubnis des Autors;
published with the permission of the author
]

 

Übersetzung:

An Werner in Trier

 

Zur milden Lampe drinnen
Kehrst du wie im Traume ein
.

(Georg Trakl, aus „In den Nachmittag geflüstert“)

 

Trakls Herbst ist über uns und wie gerechte Pilger

ringen wir, seine Gedichte zu übersetzen.

Substantive wehen aus den Wäldern her und nisten

an unseren Türen, sammeln sich in den Ecken der Veranda.

Adjektive aus getrockneten Samenhülsen rauschen herein.

Kristallene Verben heften sich an braune Grashalme

und leben wie Geister am längsten in den Schatten.

Beim Durchqueren von Stoppelfeldern singen meine Schritte auf,

wie der Wind die Luft trägt

atmete ich gestern über den Ozean

um Sauerstoff zu werden, der das Blut

der Worte rötet, die wir heute tauschen.

Jede Silbe ist eine Feder,

die ich zum Nachbauen des Falkenleibs nehme,

den die Flügel verloren haben,

die ich ausgebreitet entdeckte am Saum des Feldes.

Ich hebe die blutigen Stümpfe wie eine Lyra hoch,

um die Stimme des Windes zu hören. Ich stecke sie

in meine Schulterblätter, treibe auf den Luftströmen zurück

zu dem alten Land, wo ich dich sehe,

wie du in den Schatten der Porta Nigra stehst und eine schwarze Katze hältst.

Ich segle über die drei Teiche von Hellbrunn

zur barocken Pracht der schönen Stadt,

ersteige die Hänge des Mönchsbergs,

erstürme die Türme der Feste Hohensalzburg.

Auf beiden Seiten des Atlantiks

verwandeln wir seine Worte in purpurne Kerzenflammen,

die verdunkelte Räume erhellen,

während unsere Köpfe langsam silbern

mit der winterlichen Weisheit des Einsamen.

 

(aus dem Englischen von Wersch)