chinesische Dichtung der späteren Han-Zeit

Lied der Sargträger

Tau auf der Blüte des Knoblauchs,
   wie leicht schwindet er hin.
Schwindet er auch, der Tau,
   fällt er doch morgens erneut.
Schwindet dahin der Mensch,
   ist es für immer und ohne Zurück.

[aus dem Chinesischen von Peter Olbricht]

Gräber

Lenke den Wagen zum Oberen Osttor hinaus!
Weithin gleite der Blick am Nordwall über die Gräber!

Die Silberpappeln rauschen - ach, sie rauschen!
Und Kiefern, Zypressen begleiten den breiten Weg.

Darunter liegen seit langen Zeiten die Toten,
tief dunkel in ihrer ewigen Nacht.

Versunken ruhen sie unter den gelben Quellen,
Jahrtausende lang ohne Erwachen.

Unaufhörlich im Wechsel: Schatten und Licht.
Schicksale von Jahren: flüchtig wie morgens der Tau.

Ein Menschenleben: nicht länger als kurze Rast.
Ein langes Leben: längst nicht so hart wie Stein und Metall.

Hundert Jahrhunderte: einander zu Grabe geleitet.
Heilige, Weise: nicht einem gelang der Sprung aus dem Kreise.

Und wer der Unsterblichen Nahrung zu essen vermeinte,
ist doch nur der giftigen Droge erlegen.

So laßt uns denn trinken den süßen Wein!
Laßt uns denn kleiden in Seide und Samt!

[aus dem Chinesischen von Peter Olbricht]