Ficker, Ludwig von
(13.4.1880, München - 20.3.1967, Innsbruck)

Sohn eines Professors für Rechtsgeschichte und einer Lehrerin aus Südtirol, übersiedelte 1896 nach Innsbruck. Studierte auf väterlichen Wunsch Jura, dann Kunstgeschichte und Germanistik.1900 wurde das Drama "Sündenkinder" am Innsbrucker Stadttheater uraufgeführt, "Inbrunst des Sturms. Ein Reigen Verse" erschien 1904 in Leipzig. Sein Erbe erlaubte ihm großbürgerlichen Lebensstil und lange Italienaufenthalte, während er sich als freier Schriftsteller zu etablieren versuchte. 1908 heiratete er die Schwedin Cäcilie Molander.


1910 begründete Ficker die Halbmonatsschrift "Der Brenner", die als Forum für Kulturkritik und avantgardistische Literatur alsbald im ganzen deutschen Sprachraum Aufmerksamkeit erregte. Beiträger waren u.a. Theodor Däubler, Albert Ehrenstein, Else Lasker-Schüler, Hermann Broch, Rainer Maria Rilke, Theodor Haecker und Ferdinand Ebner, wichtige Mitarbeiter Carl Dallago, Karl Röck, Karl Borromäus Heinrich und Max von Esterle.
1912 veranstaltete Ficker die erste Lesung von Karl Kraus in Innsbruck, der die Satiren und Polemiken im »Brenner« formal geprägt hatte (sein Statement über den "Brenner" ). Auf seine Empfehlung erhielt Ficker von Ludwig Wittgenstein 1914 die großzügige Spende von 100.000 Kronen für bedürftige österreichische Künstler, die er u.a. an Rilke, Adolf Loos und Trakl weiterleitete.
Auf Fürsprache Robert Müllers hatte "Der Brenner" im Mai 1912 Trakls Gedicht "Vorstadt im Föhn" gedruckt und ihm damit zu einem Durchbruch verholfen. Das anschließende erste Zusammentreffen mit ihm hat Ficker geschildert . Mit dem Karl Kraus gewidmeten "Psalm" im Oktober desselben Jahres beginnend, folgten insgesamt ca. 60 weitere Traklerstdrucke, die den Weg zu den Einzelveröffentlichungen bei Kurt Wolff in Berlin ebneten. Noch bedeutsamer war jedoch das menschliche Refugium, das Trakl bei Ficker, seiner Familie und dem Kreis von "Brenner"-Mitarbeitern fand. Häufig hielt er sich vor Kriegsausbruch in Innsbruck auf.
Neben Die junge Magd widmete Georg ihm Gesang einer gefangenen Amsel, das auf einem gemeinsamen Kurzausflug zum Gardasee im Frühjahr 1914 entstand. Ficker war der letzte und einzige Mensch, der Trakl vor seinem Tod im Krakauer Garnisonsspital besuchte, wovon die letzten Briefe zeugen.

Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg verlor Ficker die materielle Existenzgrundlage, gliederte den "Brenner"dem Universitätsverlag Wagner an. Mit der Distanzierung von Kraus verzichtete er auf Literatursatire und Zeitkritik zugunsten sprachphilosophischer und theologischer Essays und Lyrik, vertrat eine radikale, christliche Innerlichkeit. Ebenso wurde die Pflege Trakls ein Schwerpunkt, was jedoch auch verklärende, heilsgeschichtliche Stilisierungen, ja Züge einer Trakl-Kirche implizierte. 1925 sorgte Ficker für die Überführung von Trakls Gebeinen aus Krakau, die er in Innsbruck-Mühlau bestatten ließ.
1940 zählte die Reichsschrifttumskammer den "Brenner" zum "schädlichen und unerwünschten Schrifttum". Ficker pflegte Kontakte zu Widerstandskreisen, 1946 gab er nach zwölfjähriger Pause die 16. Folge des »Brenner« mit Gedichten von Trakl, Kraus, Gertrud von Le Fort und Paula Schlier heraus. Die letzte Folge 1954 war den Erinnerungen an Ebner, Dallago, Trakl, Wittgenstein und Rilke gewidmet. 1959 erhielt er den Großen österreichischen Staatspreis und erlebte noch, wie sein Freund Ignaz Zangerle 1964 das "Brenner-Archiv" gründete (seit 1979 "Forschungsinstitut Brenner-Archiv"). Nach seinem Tod 1967 wurde Ficker neben Trakl beerdigt.

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