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Georg Trakl:
Der dichterische Nachlass

(3. Teil)

zu


 
Web Literaturnische

Die Anordnung folgt der historisch-kritischen Ausgabe
von Walter Killy und Hans Szklenar.

Sammlung 1909 (im 1. Teil)
Gedichte 1909-12 (im 1. Teil)
Gedichte 1912-14 (im 2. Teil)
Doppelfassungen der zu Lebzeiten publizierten Gedichte (im 2. Teil)
Gedichtkomplexe und Fragmente
Dramenfragmente
Aphorismen (zwei Texte)

zur Übersicht der Gedichttitel des Nachlasses

 


 

Gedichtkomplexe und Fragmente

 

Lange lauscht der Mönch dem sterbenden Vogel am Waldsaum
O die Nähe des Todes, verfallender Kreuze am Hügel
Der Angstschweiß der auf die wächserne Stirne tritt.
O das Wohnen in blauen Höhlen der Schwermut.
O blutbefleckte Erscheinung, die den Hohlweg herabsteigt
Daß der Besessene leblos in die silbernen Kniee bricht.

Mit Schnee und Aussatz füllt sich die kranke Seele
Da sie am Abend dem Wahnsinn der Nymphe lauscht,
Den dunklen Flöten des [...] im dürren Rohr;
Finster ihr Bild im Sternenweiher beschaut;

Stille verwest die Magd im Dornenbusch
Und die verödeten Pfade und leeren Dörfer
Bedecken sich mit gelbem Gras.
Über verschüttete Stiegen hinab - purpurner Abgrund.

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Nymphe

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Wo an schwarzen Mauern Besessene stehn
Steigt der bleiche Wanderer im Herbst hinab
Wo vordem ein Baum war, ein blaues Wild im Busch
Öffnen sich, zu lauschen, die weichen Augen
Helians.

Wo in finsteren Zimmern einst die Liebenden schliefen
Spielt der Blinde mit silbernen Schlangen,
Der herbstlichen Wehmut des Mondes.

Grau verdorren im braunen Gewand die Glieder
Ein steinerner Bogen
Der sich im Spiegel faulender Wasser verzückt.
Knöcherne Maske, die einst Gesang war.
Wie schweigsam die Stätte.

Ein verpestetes Antlitz, das zu den Schatten sinkt,
Ein Dornenbusch der den roten Mantel des Büßenden sucht;
Leise folgt der magische Finger des Blinden
Seinen erloschenen Sternen

Ein weißes Geschöpf ist der einsame Mensch
Das staunend Arme und Beine bewegt,
Purpurne Höhlen darin verblichene Augen rollen.

Über verschüttete Stiegen hinab wo Böse stehn
Ein Klang von herbstlichen Zymbeln verklingt
Öffnet sich wieder ein weißer Abgrund.

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Helian

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Durch schwarze Stirne geht schief die tote Stadt
Der trübe Fluß darüber Möven flattern
Dachrinnen kreuzen sich an vergangenen Mauern
Ein roter Turm und Dohlen. Darüber
Wintergewölk, das aufsteigt.

 

Jene singen den Untergang der finsteren Stadt;
Traurige Kindheit, die nachmittags im Haselgebüsch spielt,
Abends unter braunen Kastanien blauer Musik lauscht,
Der Brunnen erfüllt von goldenen Fischen.

Über das Antlitz des Schläfers neigt sich der greise Vater
Des Guten bärtiges Antlitz, das ferne gegangen
Ins Dunkel

O Fröhlichkeit wieder, ein weißes Kind
Hingleitend an erloschenen Fenstern.
Wo vordem ein Baum war, ein blaues Wild im Busch
Öffnen sich zu sterben die weichen Augen
Helians.

 

Wo an Mauern die Schatten der Ahnen stehn,
Vordem ein einsamer Baum war, ein blaues Wild im Busch
Steigt der weiße Mensch auf goldenen Stiegen,
Helian ins seufzende Dunkel hinab.

 

Finster blutet ein braunes Wild im Busch;
Einsam der Blinde, der über verfallene Stufen herabsteigt.
Im Zimmer die dunklen Flöten des Wahnsinns.

Mit Schnee und Aussatz füllt sich die kranke Seele,
Da sie am Abend ihr Bild im rosigen Weiher beschaut.
Verfallene Lider öffnen sich weinend im Haselgebüsch.
O der Blinde,
Der schweigend über verfallene Stufen hinabsteigt im Dunkel.
Im Dunkel sinken Helians Augen.

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Helian

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Sommer. In Sonnenblumen gelb klapperte morsches Gebein,
Sank zu jungen Mönchen der Abend des verfallenen Gartens hinab
Duft und Schwermut des alten Hollunders,
Da aus Sebastians Schatten die verstorbene Schwester trat,
Purpurn des Schlafenden Mund zerbrach.
Und die Silberstimme des Engels

Spielende Knaben am Hügel. O wie leise die Zeit,
Des Septembers und jener, da er in schwarzem Kahn
Am Sternenweiher vorbeizog, am dürren Rohr.
In wilder Vögel Flug und Schrei.

Ferne ging in Schatten und Stille des Herbstes
Ein Haupt,
Stieg der Schatten des Schläfers verfallene Stufen hinab.

 

Ferne saß die Mutter im Schatten des Herbstes
Ein weißes Haupt. Über verfallene Stufen
Stieg im Garten der dunkle Schläfer hinab.
Klage der Drossel.

O die härene Stadt; Stern und frostig Erwachen.

Ferne ging im braunen Schatten des Herbstes
Der weiße Schläfer.
Über verfallenen Stufen glänzte ein Mond sein Herz,
Klangen leise ihm blaue Blumen nach,
Leise ein Stern.

 

Oder wenn er ein sanfter Novize
Abends in Sankt Ursulas dämmernde Kirche trat,
Eine silberne Blume sein Antlitz barg in Locken
Und in Schatten ihn der blaue Mantel des Vaters umfing
Die dunkle Kühle der Mutter

Oder wenn er ein sanfter Novize
Abends in Sankt Ursulas dämmernde Kirche trat,
Eine silberne Stimme das Antlitz barg in härenen Locken,
Und in Schauern ihn die

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Sebastian - Sankt Ursula

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Fragmente

 

1
Kindheit

Was leise gehet unter Herbstesbäumen
Am grünen Fluß, darüber Möven gleiten -
Es fällt das Laub; Einfalt dunkeler Zeiten.
‘s ist Gottes Ruh. Die Abendschatten säumen
Ein schwarzer Vogel singt in Herbstesbäumen.

Ein Händefalten müde und einträchtig
Am Abend folgen ihren Vogelzeichen
Die Augen, ehe sie dem Schlummer weichen -
Erinnerung des Knaben sanft und schmächtig.

Ein schwarzer Vogel singt in Herbstesbäumen
Den Frieden dieser Tage süß und mächtig
Auch will die Seele stille sich bereiten.

 

2
Ein Kreuz ragt Elis
Dein Leib auf dämmernden Pfaden

 

3
Geburt

Gang mit dem Vater, Gang mit der Mutter

 

4
Im Frühling

Abend ist im alten Garten worden.

 

5
Nachtwandlung, Tod und Seele

Da ich hinsank am schwarzen Hügel des Schlafs müde der Wildnis und Verzweiflung finsterer Wintertage, kam auf glühendem Flügel ein Traum zu mir:

 

6
Da der Tag dahinsank fuhr K

 

7
Es kehret der Heimatlose
Zurück zu moosigen Wäldern

 

8
Gegen Abend erwachte Münch am Saum des Waldes. Eine goldene Wolke erlosch über ihm und die dunkle Stille des Herbstes erfüllte ihn mit Angst, die Einsamkeit der Hügel rings.

 

9
Im Frühling; ein zarter Leichnam
Erstrahlend in seinem Grab
Unter den wilden
Hollunderbüschen der Kindheit.

 

10
Nächtliche Buchen; es wohnt im Herzen
Dunkler Landschaft ein roter Wurm.

 

11
Schneeige Nacht!
Ihr dunklen Schläfer
Unter der Brücke
Von zerbrochener Stirne
Tropft kristallner Schweiß euch

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Elis - Münch

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Dramenfragmente

 

 

Blaubart

Ein Puppenspiel (Fragment)

 

Vorausnahme
Beklagst du, Gerechter dies wirre Bild,
Das von Gelächter und Irrsinn zerwühlt
Glaub’ mir, bis wir uns wiedersehn
Wird mein Helde auf sittsameren Wegen gehn!
Amen!

Personen:
Blaubart
Der Alte
Herbert
Elisabeth

 

1. Szene [1. Fassung]

Zimmer im Schloß. Es ist Nacht. Orgelspiel verklingt.
DER ALTE (am Fenster):
Gott sei ihm gnädig! Die Mess’ ist aus -
Nun treten sie aus der Kirche heraus!
Gott sei ihr gnädig!
HERBERT (kniend):
Gott sei ihr gnädig - der bleichen Braut!
(angstvoll) Mir ist, ich hört’ einen seufzenden Laut
Der Nacht entsteigen! Gütiger Gott!
Hilf den Sündern aus ihrer Höllennot!
Ich halt’s nicht aus!
DER ALTE:
In den Wipfeln wühlt das Frühlingsgebraus!
Sei still! Mein Knabe, sie nahn!
HERBERT (wie verzückt):
Die alle
Nach dieser Nacht den Tag nicht sahn
Nun sind sie da unten wieder erwacht
Und seufzen in die Blutbrautnacht!
Nimm mir Ohr und Aug! Ich bin verflucht!
Die Nacht ist voll Wahnsinn - und verrucht!
Hilf! Alter hörst du das Schrein!
DER ALTE (still): Nein!
HERBERT:
Laß mich fort! Ins Dorf hin!
Auf offnem Platz will ich niederknien
Und will bekennen - was hier geschah -
Und heute geschieht - daß sie fern und nah
Sturmglocken läuten in die Nacht -
Eh noch das Namenlose vollbracht!
DER ALTE:
Ich halt’ dich nicht! Ward dir zu tun
Dies auferlegt, dann magst du’s tun!
Du dauerst mich!
HERBERT:
Vater! Bet, für mich!
Daß ich den leibeignen Herrn verrat!
Wir sehn uns nimmer! Ich hör’ er naht!
Fort! Fort! Leb wohl!
DER ALTE:
Leb wohl!
(Herbert ab)

1. Szene [2. Fassung]

Zimmer im Schloß. Es ist Nacht. Orgelspiel verklingt.
DER ALTE (am Fenster):
Gott sei ihm gnädig! Die Mess’ ist aus -
Nun treten sie aus der Kirche heraus!
Gott sei ihr gnädig!
HERBERT (kniend):
Gott sei ihr gnädig - der bleichen Braut!
(angstvoll) Mir ist, ich hört’ einen seufzenden Laut
Der Nacht entsteigen! Gütiger Gott!
Hilf den Sündern aus ihrer Höllennot!
Ich halt’s nicht aus!
DER ALTE:
In den Wipfeln wühlt das Frühlingsgebraus!
Sei still! Mein Knabe, sie nahn!
HERBERT (wie verzückt):
Die alle
Nach dieser Nacht den Tag nicht sahn
Nun sind sie da unten wieder erwacht
Und seufzen in die Blutbrautnacht!
Nimm mir Ohr und Aug! Ich bin verflucht!
Die Nacht ist voll Wahnsinn - und verrucht!
Hilf! Alter hörst du das Schrein!
DER ALTE (still):
Nein!
HERBERT:
Ich sah sie gehn, wie verlöschend Licht
Durch meinen Traum, und faßt es nicht
Fühlt ihre Näh, wie im Fieberglühn -
Und mußte schrein und vor ihnen fliehn!
Ein böser Traum hat mich krank gemacht
Nun weine ich die ganze Nacht
Ich vergaß - warum!
DER ALTE:
Deine Kindertage sind um -
HERBERT: Laß mich fort, Greis, laß mich fort.
Aasgeier umflattern wieder den Ort!
Sie gießen Blut auf die Schwelle hin -
Dort wo die Braut muß niederknien
Sieh Alter - siehst du das Blut?
DER ALTE:
Der Fackeln flackernde Glut!
HERBERT:
Die Schatten winken der bleichen Braut
Was heißt mich tun - davor mir so graut!
Kehr um - du Magd! Ein Schritt noch vom Tor!
Ihr geliebten Frauen tretet doch vor!
Der Tod vor der Schwelle! Bete für mich!
Der Tod vor der Schwelle: Laß mich sterben für dich.
Maria - Jungfrau o bitt’ für mich!
(Er stürzt sich zum Fenster hinaus)
DER ALTE (fällt in die Knie):
Läßt du darum Frühling werden
Gott auf dieser dunklen Erden?

1. Szene [3. Fassung; Fragment]

DER DIENER:
Gott sei ihr gnädig!
Wie sie geht - gleich einem verlöschenden Licht
Wie ein ferner Traum - o fühlst du sie nicht!
Und seh ich sie an, fühl ich Fieberglühn -!
Und möchte vor ihr niederknien
Was ists, das mein Herze so brennen macht,
Und tausend Stimmen leiht der Nacht!
DER ALTE:
Du sollst sie nicht ansehn, mein armes Kind
DER JUNGE:
Gott sei ihr gnädig der bleichen Braut

 

2. Szene

Blaubart und Elisabeth
ELISABETH:
Mein Herr! Als wie gingen durch dies Haus
Da löschten alle Fackeln aus!
BLAUBART:
Meine Taube, fühlst gar darin einen Sinn?
ELISABETH:
Ich weiß nicht Herr! Meine Hände glühn!
Mich däucht es weint wo immerzu!
BLAUBART:
Geh! Alter! Leg dich zur Ruh!
DER ALTE (kniet vor ihm nieder):
Gott sei Euch gut!
BLAUBART:
Was weinst du?
DER ALTE:
Kreist hundert Jahr nun schon mein Blut -
Hab nie Herr einen gesehn in der Welt -
Der so wie Ihr von Gott gequält!
Gäb’ gern dies bißchen Leben für Euch -
Und kann nur weinen und knien vor Euch!
BLAUBART:
Du redest irr! Geh altes Kind!
DER ALTE (küßt seine Hände):
Erbarm dich dieser Hände so bleich -
O Jesus! dieser Hände so bleich
Gut Nacht! (ab)
BLAUBART (am Fenster):
Der Mond
Wie eine besoffene Dirne stiert -
ELISABETH:
Mich friert!
BLAUBART (tritt zurück):
Hier zitterndes Kindlein - trink Wein!
Daß die Augen dir glühn! Wie sehn sie rein!
Hei! Bist du torig! Ich trink dir zu!
Vergaß ich es? Wie alt bist du?
ELISABETH:
Fünfzehn Jahre Herr! In dieser Nacht!
Was ist Euch Herr?
BLAUBART:
Hab’ ich gelacht?
Hei trink! Du zartliche Braut!
Sieh nur, wie der Mond dich brünstig anschaut!
ELISASBETH:
Versteh Euch nicht, hab Angst vor Euch!
BLAUBART:
Wahrhaftig! Deine Wangen sind bleich!
Ich sing die ein Lied, das dich lachen macht.
ELISABETH:
Das sänget Ihr?
BLAUBART:
Der Tausend ich weiß ein Liedlein dir,
Das oft ich vernommen in solcher Nacht.
(Er singt)
Wer sagt, daß ihr Licht erloschen war,
Als ich zur Feier löste ihr Haar.
Was klagt ihr mich an ihr Glocken
Möchtet lieber frohlocken.

Wer sagt, daß ihr stummer Mund verwest,
Als ich zur Nacht bei ihr gewest.
O schweige, schweige, du leise
Unendliche traurige Weise.

Wer sagt, daß offen stünd’ ein Grab,
Und daß ich im Blick was Böses hab!
Wenn das meine Herze wüßte!
Erbarm’ dich, o Jesus Christe!

ELISABETH schluchzt auf
BLAUBART:
Wie stehn dir die schimmernden Tränen gut!
Trink Wein!
ELISABETH:
Ich hab’ ihn verschüttet - er leuchtet wie Blut!
BLAUBART:
Sagtest du Blut! Des Mondes trübe Glut
Nichts weiter! Hörst du, wie der Maien rauscht!
ELISABETH:
Mich däucht, daß im Dunkel zitternd wer lauscht
[...]
Träumt gestern unter dem Lindenbaum
An Vaters Haus einen bösen Traum.
(träumerisch) Heinrich, mein Knabe! Hilf!
BLAUBART (flüsternd):
Du Hur!
Ist’s ein Affe oder ist’s ein Stier -
Ein Wolf oder sonstig reißend Getier!
Hei lustig geschnäbelt zur Nacht,
Bis zweie nur mehr eines macht -
Und das ist drei!
So hört ich’s die Spatzen pfeifen im Mai!
ELISABETH (wie verzaubert):
Komm Lieber! Feuer fließt mir im Haar
Weiß nimmer, nimmer, was gestern war
Blut stickt und würgt mir die Kehle zu
Nun hab’ ich keine Nacht mehr Ruh!
Möchte nackend in der Sonne gehn,
Vor aller Augen mich lassen sehn,
Und tausend Schmerzen auf mich flehn
Und Schmerzen dir tun, zu rasender Wut!
Mein Knabe komm! Trink’ meine Glut,
Bist du nicht durstig nach meinem Blut,
Nach meiner brennenden Haare Flut?
Hörst nicht, wie die Vögel im Walde schrien
Nimm alles, alles was ich bin -
Du Starker - mein Leben - du nimm hin!
Was stehst du fern -
BLAUBART:
Ist erst erloschen der letzte Stern - -
ELISABETH (wie verzaubert):
Trägst du nicht am Hals ein Schlüsselein?
Es leuchtet - möcht’s ein goldenes sein?
Was öffnet’s mir?
BLAUBART:
Es öffnet zum Brautgemach die Tür!
Sein Geheimnis ist Verwesung und Tod,
Erblüht aus des Fleisches tiefster Not.
(Es schlägt Mitternacht! Alles Licht erlischt)
In Mitternacht du brünstige Braut
Zur Todesblume greifend erblaut -
Sei dir dies süße Geheimnis vertraut.
Starb Gott einst für des Fleisches Not
Muß der Teufel feiern zur Lust den Tod.
(Er sperrt eine Türe auf)
Hörst du des Asrael Flügelschlag -
Wie die Vögel du schreien hörtest im Hag.
Lust peitschen Haß, Verwesung und Tod
Entsprungen dem Blute, gellend und rot
Komm zitternde Braut! (Er fällt über sie her)
ELISABETH:
Hu! Hu! Wies mich schüttelt und graut!
Nicht du! Nicht du! O rette mich!
Lieber!
BLAUBART:
Wie dein Knabe - so keusch, o lieb ich dich!
Doch soll ich dich Kindlein ganz besitzen -
Muß ich, Gott will’s den Hals dir schlitzen!
Du Taube, und trinken dein Blut so rot
Und deinen zuckenden, schäumenden Tod!
Und saugen aus deinem Eingeweid
Deine Scham und deine Jungfräulichkeit
ELISABETH:
Erbarmen! Was zerrst du mich am Haar!
BLAUBART:
Keusch blühende Rose auf meinem Altar -
ELISABETH:
Gott steh mir bei! Du geifernd Tier!
BLAUBART:
Ist’s ein Affe oder ist’s ein Stier
Ein Wolf oder ander reißend Getier
Hei lustig geschnäbelt zur Nacht -
Bis zweie nur mehr eines macht!
Und eins ist der Tod!
ELISABETH:
Neigt niemand sich meiner grausen Not?
BLAUBART (schreit):
Gott!
(Er zerrt sie in die Tiefe. Man hört einen gellenden Schrei. Dann tiefe Stille. Nach einiger Zeit erscheint Blaubart, bluttriefend, und trunken außer sich und stürzt wie niedergemäht vor einem Crucifix nieder)
BLAUBART (verlöschend):
Gott!

 

Fragmentarische Szene

BLAUBART:
Ist ein spaßhafter wieder milder Gast.
Was macht dir so heiß - du fieberst ja fast!
(Er streichelt ihre Finger)
Atmest du diese mondene Nacht -
Die Molche und Lilien geile macht.
Hei, wies aus bebenden Kelchen schäumt,
Und schwärend sich Leib an Leib aufbäumt -
Und geifernd sich voll Wut umschlingt -
Und ringt - und ringt!
So heiß und schwer

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Blaubart - Der Alte - Herbert - Elisabeth - Der Diener - Jesus Christus - Maria - Teufel - Asrael

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Don Juans Tod
[Eine Tragödie in 3 Akten; Fragment]

Prolog

[...] festlich hohe Träume [...]
[...]
[...] dionysisch Antlitz,
In dem die Freuden einer Götterwelt,
Die einst dahinsank, auferstanden schienen
Ein Enkel derer, die die Götter liebten
Und die das Leben segnet und befreit.
Weh!
Aus dir starrt mich des Erdendaseins hohle
Und schmerz[...] Maske steinern an,
Dahinter Tod und heißer Wahnsinn lauern.
[...]
[... das] qualentlohte [Schicksal ...]
[...]
Durch finstere Tat, im Zwiespalt deines Wesens -
Ein Fremdgeborener und ein Qualbestimmter
Ein überwundner Sieger, Selbstverlorner,
Auf eisigen Gipfeln, die den Menschen fremd,
Ein Jäger, der die Pfeile schickt nach Gott.

 

Der Tragödie dritter Akt
[1. Fassung]

Szene: Ein Saal im Schloß des Don Juan.
CATALINON (vor sich hinmurmelnd):
Was scharrt dort an der Tür! Nur immer zu!
Ich rühr’ mich nicht! - Es scheint geduldig wie
Ein Tier, das selbst dem Schweigen eine Antwort
Entlocken möchte - scharrt und scharrt! He du,
Gib acht! Hier ist die Hölle - sagt’ ich Hölle?
Vielleicht des Himmels Eingang auch. Wer weiß!
Dem Unfaßbaren hascht das träge Wort
Vergeblich nach, das nur in dunklem Schweigen
An unsres Geistes letzte Grenzen rührt.
Nur nicht so laut, ich komme schon und öffne!
(Er geht zur Tür und schiebt den Riegel zurück)
Tritt ein, du Unermüdlicher! Bist du
Ein Mensch, laß deine Sprache draußen,
Daß du vorwitzig sie nicht brauchst.
FIORELLO (am ganzen Körper bebend, tritt ein)
CATALINON:
Dacht’ ich’s doch gleich!
FIORELLO:
Daß du nur da bist!
Leer steht das Haus, die Diener sind geflohn
Laut schreiend in die Nach die Greueltat
Die hier in dieser Stunde sich bereitet.
CATALINON:
Schweig alter Mensch!
FIORELLO:
O namenloser Frevel!
CATALINON:
Schenk’ dir den Schluß der Rede, weiß ich doch
Wonach der Witz dir steht. Schweig du, wie ich
Gesagt.
FIORELLO:
Ich schweige schon, du fürchterlicher Mensch.
CATALINON:
Wenn’s dir beliebt, kannst du auch wieder gehn!
Dir wäre besser - -
FIORELLO:
Ich, meinen Herrn verlassen!
Ich bleibe hier, wenn auch die Angst mich tötet,
Und die Erwartung dessen, was da kommen
Wird.
(Er setzt sich nieder)
CATALINON (vor sich hinsummend):
In deine erloschenen Augen
Pflanz ich ein loderndes Licht
Ich entreiß dich dem Todesdunkel
Und Gott und Teufel, sie hindern es nicht!
FIORELLO:
Der Entsetzliche!
CATALINON (horcht auf):
Er naht - er kommt!
(Don Juan erscheint in der Tür zur rechten Seite, durch die man in einem fahl erleuchteten Zimmer die Leiche der Donna Anna auf einem Ruhebett liegen sieht.)
DON JUAN:
Weg, schreckliches Gesicht!
Was scheuchst du mich von meinem Lager auf
Da dieser Stunde tiefster Wonneschauer
Mir noch im Blute bebt und mich erfüllt
Mit übermenschlichen Gesichten. Weg, weg!
Du Fratze, die ein geiler Schreck gebar,
Mich ekelt, sehe ich dich an - ich möcht’
Es nicht und muß. So fass’ ich dich verfluchtes
Gebilde, du Auswurf meiner heißen Sinne
Erwürge dich mit diesen Händen, versenge
Mit meines Atem Glut, dich, Tiergesicht!
Ah! Schwebst du mir noch vor und blickst mich an
Aus toderstarrten Augenhöhlen, worin
Die Finsternis, die noch kein Lichtstrahl je
Erhellte, weint. Und füllst den Raum mit Schweigen,
Das blaß, grufttief sich schleicht in meines Herzens
Aufschäumend Pulsen und schlangengleich sich windet
Um meiner Sinne trunkene Entzückung,
Daß ferner immer ferner mir des Lebens
Vielstimmiges Geräusch verklingt, sich brechend
An ekler Öde. Es engt der Raum sich und
Verschlingt, der nahen Dinge sichere
Gestalt. Es steigt an mir empor und schon
Droht es mich zu umfassen. Weg Wesenloses!
Noch widertönt mein Blut von dieser Welt
Die Erde hält mich und ich lache dein.
(Er taumelt ans Fenster, und stößt es auf)
Hier öffne ich dem Leben weit die Pforten,
Und tönend braut’s herein, mich zu umfassen,
Mit seinen Schwingen hüllt’s mich ein - und ich -
Bin sein!
Und atme ein die Welt, bin wieder Welt
Bin Wohllaut, farbenheißer Abglanz - bin
Unendliche Bewegung - bin.

 

Der Tragödie dritter Akt
[2. Fassung]

Szene: Ein Saal im Schloß des Don Juan.
Don Juan erscheint in der Tür zur rechten Seite, durch die man in einem hellerleuchteten Zimmer die Leiche der Donna Anna auf einem Ruhebett liegen sieht.
DON JUAN: Weg, schreckliches Gesicht!
Was scheuchst du mich von meinem Lager auf,
Da dieser Stunde tiefster Wonneschauer
Mir noch im Blute bebt, und mich erfüllt
Mit übermenschlichen Gesichten. Weg - weg!
Du Fratze, die ein geiler Schreck gebar!
Ich schaudere, seh’ ich dich an - ich möcht’
Es nicht und muß. (Mit den Händen ins Leere fassend) So
                                                    fass’ ich dich verfluchtes
Gebilde, du Auswurf meiner heißen Sinne,
Erwürge dich, mit diesen Händen, versenge
Mit meines Atem Glut - dich, Tiergesicht!
Ah! Schwebst du mir noch vor, und blickst mich an
Aus toderstarrten Augenhöhlen, worin
Die Finsternis, die noch kein Lichtstrahl je
Erhellte, weint. Und füllst den Raum mit Schweigen,
Das blaß, grufttief, sich schleicht in meines Blutes
Aufschäumend Pulsen und schlangengleich sich windet
Um meiner Sinne trunkene Entzückung,
Daß ferner, immer ferner mir des Lebens
Vielstimmiges Geräusch verklingt, sich brechend
An ekler Öde. Es engt der Raum sich und
Verschlingt der nahen Dinge sichere
Gestalt. Es steigt an mir empor und schon
Droht es mich zu umfassen. Weg - Wesenloses!
Noch widertönt mein Blut von dieser Welt
Die Erde hält mich und ich lache dein!
(Er taumelt ans Fenster und stößt es auf)
Hier öffne ich dem Leben weit die Pforten,
Und atme ein die Welt, bin wieder Welt
Bin Wohllaut, farbenheißer Abglanz - bin
Unendliche Bewegung! - Bin!
(Er sinkt mit einem lauten Schrei zu den Stufen nieder)

II. Auftritt

Es treten auf: Der Hausverwalter Fiorello, und Catalinon.

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Don Juan - Fiorello - Catalinon - Dionysos

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Dramenfragment
[1. Fassung]

1

Hütte am Saum eines Waldes. Im Hintergrund ein Schloß. Es ist Abend.
DER PÄCHTER:
Unser Tagwerk ist getan. Die Sonne ist untergegangen. Laß uns ins Haus gehen.
PETER:
Bei der Mühle hat man heute die Leiche eines Knaben gefunden. Die Waisen des Dorfes sangen seine schwarze Verwesung. Die roten Fische haben seine Augen gefressen und ein Tier den silbernen Leib zerfleischt; das blaue Wasser einen Kranz von Nesseln und wildem Dorn in seine dunklen Locken geflochten.
DER PÄCHTER:
Rotes Gestern, da ein Wolf mein Erstgebornes zerriß. Fluch, Fluch durch finstere Jahre. Woran erinnerst du mich: Leise tönen die Glocken, langsam wölbt sich der schwarze Steg über den Bach und die roten Jagden verhallen in den Wäldern. Dunkel singt der Wahnsinn im Dorf; morgen heben wir vielleicht das Bahrtuch von einem teueren Toten. Laß uns gehn. O die läutenden Herden am Waldsaum, das Rauschen des Korns -
PETER:
Euere Tochter -
DER PÄCHTER:
Sprichst du von deiner Schwester! Ihr Antlitz sah ich heut’ nacht im Sternenweiher, gehüllt in blutende Schleier. Das Vaters Fremdlingin -
PETER:
Die Schwester singend im Dornbusch und das Blut rann von ihren silbernen Fingern, Schweiß von der wächsernen Stirne. Wer trank ihr Blut?
DER PÄCHTER:
Gott mein Haus hast du heimgesucht. In dämmernden Zimmern steh ich geneigten Haupts, vor der Flamme meines Herdes; darin ist Ruß und Reines, und im Schatten weiß ich einen knöchernen Gast; glühend Erblinden. Wo bist du Peter?
PETER:
Grüne Schlangen flüstern im Haselbusch - Schritt in englischer Flamme -
DER PÄCHTER:
O die Wege voll Stacheln und Stein. Wer ruft euch; daß ihr in Schlummer das Haus und das weiße Haupt verlasset eh’ am Morgen der Hahn kräht.
PETER:
O die Pforte des Klosters, die sich leise schließt. Gewitter ziehn über das Schloß. Höllenfratzen und die flammenden Schwerter der Engel. Fort! Fort! Lebt wohl.
DER PÄCHTER:
O die Ernte di[e ...] Schon rauscht das wilde Gras auf den Stufen des Hauses, nistet im Gemäuer der Skorpion. O meine Kinder. Maria sprichst du ein kleines Irrlicht zu mir, hingegangenes Kind, ein blauer Quell mein verstorbenes Weib und die alten Bäume fallen auf uns. Wer spricht? Johanna, Tochter weiße Stimme im Nachtwind, von welch traurigen Pilgerschaften kehrst du heim. O du, Blut von meinem Blute, Weg und Träumende in mondener Nacht - wer bist du? Peter, dunkelster Sohn, ein Bettler sitzest du am Saum des steinigen Ackers, hungernd, daß du die Stille deines Vaters erfülltest. O die Sommerschwere des Korns; Schweiß und Schuld und endlich sinkt in leeren Zimmern das müde Haupt auch. O das Rauschen der Linde von Kindheit an, vergebliche Hoffnung des Lebens, das versteinerte Brot! Neige dich stille Nacht nun. (Er verbirgt das Haupt in den Händen)

2

Dornige Wildnis, Felsen, ein Quell. Es ist Nacht.
JOHANNA:
Stich schwarzer Dorn. Ach noch tönen von wildem Gewitter die silbernen Arme. Fließe Blut von den rasenden Füßen. Wie weiß sind sie geworden von nächtigen Wegen! O das Schreien der Ratten im Hof, der Duft der Narzissen. Rosiger Frühling nistet in den schmerzenden Brauen. Was spielt ihr verwesten Träume der Kindheit in meinen zerbrochenen Augen. Fort! Fort! Rinnt nicht Scharlach vom Munde mir. Weiße Tänze im Mond. Tier brach ins Haus mit keuchendem Rachen. Tod! Tod! O wie süß ist das Leben! In kahlem Baum wohnt die Mutter, sieht mich mit meinen traurigen Augen an. Weiße Locke des Vaters sank ins Hollundergebüsch - Liebes es ist mein brennendes Haar. Rühre nicht dran, Schwester mit deinen kalten Fingern.
DIE ERSCHEINUNG:
Leises Schweben erglühender Blüte -
JOHANNA:
Weh, die Wunde die dir am Herzen klafft, liebe Schwester.
DIE ERSCHEINUNG:
Brennende Lust; Qual ohne Ende. Fühl’ meines Schoßes schwärzliche Wehen.
JOHANNA:
In deinem Schatten wes Antlitz erscheint; gefügt aus Metall und feurige Engel im Blick; zerbrochne Schwerter im Herzen.
DIE ERSCHEINUNG:
Weh! Mein Mörder! (Die Erscheinung versinkt)
JOHANNA:
Glühende Schmach, die mich tötet; Elai! Schneeiges Feuer im Mond!
(Sie stürzt besinnungslos in den Dornenbusch, der sich über ihr schließt)
DER WANDERER:
Was schrie in der Nacht, stört das süße Vergessen in schwarzer Wolke mir? Weg und Hügel, wo ich in glühenden Tränen geruht - laß Gott nur Traum sein, den Schritt im moosigen Wald, Hütte die ich im Abendrot verließ, Frau und Kind. Weg aus diesen furchtbaren Schatten.
DER MÖRDER:
Bleierne Stufe ins Nichts. Wer riß aus dem Schlaf mich; hieß mich verödete Pfade gehn. Wer hat mein Antlitz genommen, das Herz in Kalk verwandelt. Verflucht dein Name! Wer hat die Lampe aus meinen Händen genommen. Wildes Vergessen. Wer drückt das Messer in meine rote Rechte. Lachendes Gold! Verflucht! Verflucht! (Er starrt in die Luft)
DER WANDERER:
Wie dunkel ist es um mich geworden; Stimme im Innern verkündet Unheil, heilige Mutter trockne den Schweiß auf meiner Stirne, das Blut; trauriger Amselruf, Nachmittagssonne im Wald - wo träumte ich das?
DER MÖRDER (über ihn herfallend):
Hund, dein Gebein! (Er ersticht ihn)
DER WANDERER (sterbend):
Weg von meiner Kehle die schwarze Hand - weg von den Augen nächtige Wunde - purpurner Alb der Kindheit. (Er sinkt zurück)
DER MÖRDER: Lachendes Gold, Blut - o verflucht! (Er durchsucht den Ranzen des Toten)

 

Dramenfragment
[2. Fassung]

I. Akt

In der Hütte des Pächters. Es ist Nacht. Der Pächter, Peter, sein Sohn. Es klopft.
PETER:
Wer da?
STIMME DRAUSSEN:
Öffne! (Peter öffnet, Kermor tritt ein)
KERMOR:
Meinem Rappen brach ich im Wald das Genick, da der Wahnsinn aus seinen purpurnen Augen brach. Der Schatten der Ulmen fiel auf mich, das blaue Lachen des Wassers. Nacht und Mond! Wo bin ich. Einbrech ich in süßen Schlummer, umflattert mich silbernes Hexenhaar! Fremde Nähe nachtet um mich. (Er sinkt am Herd nieder)
PETER:
Seine Schläfe blutet. Sein Antlitz ist schwarz von Hochmut und Trauer, Vater!
DER PÄCHTER:
Getan ist das Tagwerk, die Sonne untergegangen. Stille unser Leben.
PETER:
Bei der Mühle hat man heute die Leiche des Mönchs gefunden. Die Waisen des Dorfes sangen seine schwarze Verwesung. Rote Fische haben seine Augen gefressen und ein Tier den silbernen Leib zerfleischt; das blaue Wasser einen Kranz aus Nesseln und wildem Dorn ins dunkle Haar im geflochten.
DER PÄCHTER:
Rotes Gestern, grünender Morgen. Mein Weib ist gestorben, das Erstgeborene verdorben erblindet des Greisen Gesicht. Fluch durch finstere Jahre. Wer kam als Fremdling zu uns?
KERMOR (im Schlaf):
Verhallt ihr roten Jagden. Schwarzer Steg, langsam gewölbt über den Bach. Wälder und Glocken. Leise hebt die silberne Hand das Bahrtuch von der finsteren Schläferin, beut in Dornen das metallene Herz. Mondnes Antlitz -
DER PÄCHTER:
Erlosch die Flamme im Herd! Wer verläßt mich!
PETER:
O die Schwester singend im Dornenbusch und das Blut rinnt von ihren silbernen Fingern, Schweiß von ihrer wächsernen Stirne. Wer trinkt ihr Blut?
KERMOR (im Schlaf):
O ihr Wege in Stein. Sternenantlitz gehüllt in eisige Schleier; singende Fremdlingin - - Finsternis wogt im Herzen mir.
DER PÄCHTER:
Furchtbarer Gott, der eingekehrt in mein Haus. Geerntet ist das Korn, gekeltert die Traube. O die finsteren Zimmer!
PETER:
Schweiß und Schuld! Vater, hör, die Pforte des Klosters, die sich leise auftut. Stürzende Sterne! Gewitter ziehen über das Schloß, Höllenfratzen und die flammenden Schwerter der Engel - -
KERMOR (im Schlaf):
Mädchen dein glühender Schoß im Sternenweiher - -
PETER:
O die Rosen, grollend in Donnern! Fort! Fort! Lebt wohl. (Er stürzt fort)
KERMOR (im Schlaf):
Laß ab, schwarzer Wurm, der purpurn am Herz bohrt! Verfallener Mond, folgend durch morsches Geröll - -
DER PÄCHTER: Peter, dunkelster Sohn, ein Bettler sitzest du am Saum des steinigsten Ackers, hungernd, daß du die Stille deines Vaters erfülltest. O die Herbstschwere des Weizens, Sichel und harter Gang und endlich sinkt in kahlen Zimmern das weiße Haupt hin. (In diesem Augenblick tritt Johanna aus ihrer Schlafkammer) Johanna, ein kleines Irrlicht sprichst du zu uns, stilleres Kind, mit der blauen Stimme des Quells mein verstorbenes Weib und die alten Bäume, die ein Toter gepflanzt, fallen auf uns. Wer spricht. Johanna, Tochter, weiße Stimme im Nachtwind, gerüstet zu purpurner Pilgerschaft; o du Blut, von meinem Blute, Pfad und Träumende in mondener Nacht. Wer sind wir? O vergebliche Hoffnung des Lebens; o das versteinerte Brot! (Sein Haupt sinkt hin)
JOHANNA (traumwandelnd):
O das wilde Gras auf den Stufen, das die frierenden Sohlen zerfleischt, Bild in hartem Kristall, laß dich mit silbernen Nägeln graben - o süßes Blut.
KERMOR (erwachend):
Erwachen aus braunem Mohn! Leise verstummen die sanften Stimmen der Engel. Heule Herbststurm! Falle auf mich, schwarzes Gebirge, Wolke von Stahl; schuldiger Pfad, der mich hergeführt
JOHANNA:
Lachende Stimme im Nachtwind - -
KERMOR (erblickt sie):
Dornige Stufen in Verwesung und Dunkel; purpurne Höllenflamme flamme! (Er erhebt sich und flieht ins Dunkel)
JOHANNA (hoch aufgerichtet):
Mein Blut über dich - da du brachest in meinen Schlaf.

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Der Pächter - Peter - Johanna - Maria - Der Wanderer - Der Mörder - Kermor - Elai

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Aphorismen

 

Nur dem, der das Glück verachtet, wird Erkenntnis.
[1908]

Gefühl in den Augenblicken totenähnlichen Seins: Alle Menschen sind der Liebe wert. Erwachend fühlst du die Bitternis der Welt; darin ist alle deine ungelöste Schuld; dein Gedicht eine unvollkommene Sühne.
[1914]

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

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